Vom Tabu zur informierten Erinnerungslosigkeit

Vortrag: Prof. Dr. Gerhard Stapelfeldt (Uni Hamburg)
Am 11.12.2015 findet um 19:00 Uhr in Heidelberg (Neue Universität, Hörsaal 4)

Der Vortrag des emiritierten Soziologieprofessors finet unter dem Titel “Vom Tabu zur informierten Erinnerungslosigkeit” statt. Es soll eine Kritik der sozialwissenschaftlichen Verdrängung des Nationalsozialismus erfolgen.

Wenn Horkheimers und Fromms Aufklärung der inneren Struktur des Bür­gers des autoritären Staates, des sado-masochistischen Charakters, zutrifft: dieser habe die anonym-irrationalen Verhältnisse so vollständig verinner­licht, daß er zur bloßen Personifikation von Verhältnissen gebildet sei, die ihm nur noch als ein „unabänderliches“, „blindes und allmächtiges Fatum“ erschienen, dann ist mit der Ausführung des Staatsterrors bereits dessen spä­tere Verdrängung mitgesetzt. Schon der autoritäre Staat war eine Gemein­schaft gesellschaftlich bewußtloser Bürger; schon der autoritäre Staat war das „Schreckbild einer Menschheit ohne Erinnerung“.

Die deutschen Sozialwissenschaften leisteten einst durch ihren von Fichte bis Sombart und Freyer reichenden Weg in den Nationalsozialismus nicht bloß einen bedeutenden Beitrag zur Legitimation des „autoritären Staates“ und zur Realisierung des Massenmords. Sie trugen nach 1945 auch zur Verdrängung der „Barbarei“ bei: durch Tabuisierung, durch Verweis der Verbrechen in eine vergangene Vergangenheit, durch die Konstruktion des Nationalsozia­lismus als einer geschichtlichen Regression, durch informierte Erinnerungs­losigkeit. Die Soziologie in der Bundesrepublik Deutschland hat das herr­schende Selbstverständnis formuliert, aber nicht aufgeklärt.

Freitag, 11. Dezember 2015, 19:00 Uhr, NUni Hörsaal 4, Heidelberg-Altstadt
Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Club Rhein Neckar, Ak Theorie und Akut+C


Der Vortrag sollte bereits im Mai stattfinden, fiel damals allerdings wegen des Lokführer*Innenstreiks leider aus.

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