[Den Redebeitrag findet ihr hier in leichter Sprache bei unseren Freunden von Fytili]
Liebe Menschen,
wir sind von Akut+C, der Interventionistichen Linken und sind heute hier, um die ableistischen Barrieren in unserer Gesellschaft mit euch gemeinsam aufzubrechen. Als Feminist*innen möchten wir über die Mehrfachdiskriminierung von behinderten und neurodiversen Menschen sprechen. Wir müssen aber auch darüber sprechen, sich im Feminismus gezielter mit Ableismus zu beschäftigen. Sonst gibt es keine Gerechtigkeit für alle.
Liebe Menschen,
Obwohl es alle Lebensbereiche, den eigenen Körper, die eigene Psyche betrifft und unser Verhalten bestimmt, reden wir zu wenig darüber. Das dahinter liegende Wertesystem wie ein Mensch auszusehen hat ist so tief in uns verankert, das wir die sexistischen und ableistischen Zustände als Normalität betrachten.
Wir müssen aber verstehen, wie kapitalistische Vorstellungen unsere Gesellschaften bestimmen. Denn sowohl Alter, körperliche Verfassung, Gesundheit und Geschlecht werden immer bedeutsamer und entscheiden über die Verteilung von Ressourcen. Daher wollen wir die Reproduktion dieser Wertvorstellungen und Barrieren infrage stellen.
Wenn wir über Menschen mit „besonderen Bedürfnissen“ müsste eigentlich nach kurzer Zeit klar werden das wir über die Grundbedürfnisse jedes Menschen sprechen!! Etwa den Zugang zu einem Gebäude, zu Arbeit, Bildung, Privatsphäre, Hygiene, Versorgung, Sex. Aber selbst darüber Entscheidungen zu treffen oder unabhängig zu sein wird systematisch Frauen, Lesben, Intergeschlechtliche, Nicht-binäre, transidente, agender Personen mit und ohne Behinderung enorm erschwert.
Wir möchten einige Beispiele nennen.
Als behinderte und neurodiverse Person wird man schon im Alltag, in der Schule, in den Behörden oder im Berufsleben nicht ernst genommen und an den Rand der Gesellschaft gedrängt.
Dabei spielt auch das zugeschriebene Geschlecht eine Rolle.
Bei FLINTA* liegt die soziale Hauptverantwortung. Sie sind es die sich in erster Linie um die emotionale und körperliche Gesundheit anderer kümmern sollen. Wenn sie dann neben dieser ganzen Arbeit noch einem bezahlten Beruf nachgehen, werden sie auch noch schlechter bezahlt. Viele FLINTA* mit Behinderungen erleben oft auch eine Entsexualisierung. Das heißt sie werden nicht als Mensch mit Geschlecht wahrgenommen. Ihnen wird ihre Sexualität und Autonomie selbst über ihr Geschlecht zu entscheiden, genommen. Besonders heftig ist, das Frauen mit Lernschwierigkeiten, die in Einrichtungen leben, häufiger sterilisiert sind, auch wenn sie wenig oder keine sexuellen Kontakte haben. Ob die Frauen immer wissen, dass sie infolge der Verhütungspraxis keine Kinder bekommen können, ist unklar. Vielen von ihnen ist jedoch sehr deutlich, dass ihre Eltern nicht wollen, dass sie Kinder bekommen. Nahezu die Hälfte aller sterilisierten Frauen in Einrichtungen gaben in einer Studienauswertung an, dass der Arzt/die Ärztin oder die Betreuungsperson gesagt habe, sie sollten sich sterilisieren lassen. Eine „informierte und freiwillige Zustimmung“ darf infolge dieser Ausführungen in vielen Fällen bezweifelt werden.
FLInTA erleben oft Gewalt, die sich in unterschiedlichen Formen äußert. Dazu gehören Beschimpfungen sowie körperliche und sexualisierte Gewalt. Viele Menschen mit Behinderung erfahren in ihrer Kindheit und Jugend sexualisierte Gewalt. Auch Diskriminierung und Gewalt in Einrichtungen der Behindertenhilfe gehören zum Alltag vieler Menschen mit Behinderungen. Die Strukturen in den Einrichtungen und in unserer Gesellschaft fördern und begünstigen diese Gewalt.
Auch aus der Medizin hat man gelernt, dass es abweichende Körper, ungesunde Körper, zu heilen gilt. Ein Beispiel ist die Pränataldiagnostik, also die vorgeburtlichen Untersuchungen des Embryos bzw. Fötus. Die vorgeburtlichen Untersuchungen zielen nicht darauf ab, Erkrankungen zu erkennen und behandeln zu können. Sondern es geht vor allem darum Behinderungen beim Fötus zu entdecken bzw. auszuschließen. Hier beginnen die Probleme: Denn die Entscheidungen rund um Pränataldiagnostik werden extrem individualisiert. Als einzige Alternative zum Austragen der Schwangerschaft ist in dem Fall ein Schwangerschaftsabbruch aufgrund der Behinderung. Werdende Eltern sollen „frei“ und „selbstbestimmt“ entscheiden, können es aber eigentlich nur falsch machen: Entscheiden sie sich für einen Schwangerschaftsabbruch wegen einer vorgeburtlich diagnostizierten Behinderung, gelten sie als behindertenfeindlich. Entscheiden sie sich gegen die Inanspruchnahme von Pränataldiagnostik oder wissentlich für die Geburt eines Kindes mit Behinderung, müssen sie sich dauernd rechtfertigen und werden von der Gesellschaft allein gelassen.
In der Gesellschaft und besonders im Gesundheitssystem herrscht nach wie vor ein fehlerhaftes Bild von Behinderung vor. Behinderung wird mit Krankheit gleichgesetzt und viele verknüpfen ein Leben mit Behinderung mit Leid und Unglück. Wer nichts leistet hat nicht das Recht zu leben – das ist ein kapitalistischer Leitspruch und wir wollen uns dem nicht beugen!
Wir müssen auch gegen den Ableismus in Räumen die sich eigentlich für Diversität einsetzen kämpfen!
Denn in feministischen Diskursen stecken oftmals noch behindertenfeindliche Strukturen. Nur in einer intersektional-feministische Gesellschaft, können schwangere Personen auch freie selbstbestimmte Entscheidungen GEGEN die Inanspruchnahme von Pränataldiagnostik und FÜR die Geburt eines Kindes mit Behinderung treffen.
Barrierfreie Zugänge schaffen in queeren und feministische (Safer)Räume.
Die Vorstellung das Menschen mit Behinderung leiden wird durch mangelnde oder oft schlechte Repräsentation behinderter Menschen in den Medien aufrechterhalten. Statt den Fehler im Umfeld zu suchen, wird dieser der behinderten Person zugeschrieben. Was diesen Geschichten fehlt, ist die Systemkritik. Wir wollen und müssen eine Bewegung schaffen, die sich dagegen auflehnt. Das heißt Begriffe wie Ableismus zu kennen. So wird es uns leichter fallen, das System dahinter zu verstehen und sichtbar zu machen.
Wir fordern unter anderem
- Reproduktive Selbstbestimmung und Antiableismus zusammendenken.
- Unsere Privilegien checken und unsere eigene Behindertenfeindlichkeit reflektieren.
- Eintreten für eine antiableistische Gesellschaft, in der Sorgeverhältnisse nichthierarchisch und gerecht verteilt sind.
- Ein queeres barrierefreies Zentrum in Heidelberg!