Für diesen Dienstag, den 24. Januar, hat die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg, Theresia Bauer, verschiedene Gruppen, darunter auch uns, zu einer „Diskussion zu Studiengebühren für internationale Studierende und Zweitstudium“ eingeladen. Sie habe, so steht es in der Einladung „[i]n den letzten Monaten [..] viele Rückmeldungen zur geplanten Einführung von Studiengebühren für internationale Studierende und für das Zweitstudium erhalten. Dies möchte ich zum Anlass nehmen mit Ihnen in den Dialog zu treten, indem wir gemeinsam über das Thema diskutieren.“
Eine nette Sache könnte man meinen: Die Ministerin, die die Einführung von Studiengebühren plant, trifft sich mit Studierenden, die ihr in den letzten Monaten „Rückmeldungen“ gegeben haben, zu einem herrschaftsfreien Dialog, indem sachlich die Argumente ausgetauscht werden und am Ende ein Konsens erreicht wird. Die Folge: Die Ministerin kann dises Gespräch als legitimatorische Ressource nutzen, ihre Politik wie geplant durchzuführen, denn was soll denn eigentlich verhandelt werden? Auf der einen Seite steht Theresia Bauer als Repräsentantin einer Regierung, die Studiengebühren für internationale Studierende und für das Zweitstudium einführen möchte, auf der anderen Seite eine Konfliktpartei von größtenteils Studierenden, die gegen die Einführung – u.a. mit dem Hinweis auf die niedriger werdende Hemmschwelle, dass erneut allgemeine Studiengebühren eingeführt werden könnten – protestieren.
Dieser Protest hat seinen konflikthaften Ausdruck durch Demonstrationen und Kundgebungen gefunden und soll nun, einholt durch die Ministerin, in einer Diskussion befriedet und aus der Welt geschafft werden. Wie auch bei anderen Beteiligungsverfahren ist davon auszugehen, dass die Ergebnisse für ein in solchen Verfahren zur Diskussion gestelltes Thema bereits vor der Diskussion mit den ‚Bürger*innen‘ feststehen und diese lediglich von einer Seite medienwirksam zu legitimatorischen Zwecken benutzt werden können. Dabei bestimmt die Ministerin top-down, wie das Gespräch zu laufen hat: Sie lädt ein, bestimmt die Gesprächsteilnehmer*innen per Einladung, die Gesprächsagenda, die Themen, die Regeln und das Ergebnis. Oder ist es wahrscheinlich, dass Frau Bauer die Mehrheitsmeinung der anwesenden Studierenden insofern respektiert, dass sie sie auch politisch umsetzt?
Der Protest wird in eine herrschaftsförmige und ungleiche, von der Ministerin bestimmte Diskussion überführt: Konsens statt Konflikt ist das Ziel. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass in der Wirkung der Einladung den negativen und als destruktiven bewerteten Demonstrationen ein positives und als konstruktiv bewertetes Bild eines Dialoges zwischen Ministerin und „ihren“ Studierenden gegenübergestellt wird. Damit einher geht in der Regel, das zeigen Schlichtungsverfahren wie das bei Stuttgart21, die Delegitimation von zivilen Ungehorsam und Protest auf der Straße, frei nach dem Motto: „Ihr hättet Euch ja an der Diskussion konstruktiv beteiligen können.” Das kann und sollte nicht die Politik derjenigen sein, die es sich zum Ziel gesetzt haben, Studiengebühren zu verhindern und vor allem auf die unsoziale und soziale Ungleichheiten verstärkende Politik der Grünen-Ministerin hinzuweisen. Wir glauben nicht, dass Appelle an eine mögliche Vernunft der Regierung die richtige Form sind, eine vernünftige Gesellschaft einzurichten. Für uns gilt: der Protest auf der Straße bleibt unser Beitrag zur Diskussion.