„Wie fühlt es sich an, aufgrund seines Aussehens ausgegrenzt zu werden? Wie kann eine Familie in Deutschland ankommen, wenn sie auf gepackten Koffern leben muss, in der Angst, abgeschoben zu werden? Wie kann ein Kind einfach Kind sein, wenn die ersten Erinnerungen geprägt sind von Sorge, Scham und Traurigkeit? Wenn es nicht im Kindergarten war, kein eigenes Bett besaß?
In diesem persönlichen Buch verhandelt Hami Nguyen die Themen Rassismus und Klasse am Beispiel ihrer eigenen Lebensgeschichte. Anti-asiatischer Rassismus wird in der Debatte oft ausgeklammert, weil asiatisch gelesene Menschen als »angepasst« gelten. Sie sind unsichtbar. Die Geschichten der vietnamesischen Migrant:innen in Deutschland sind kaum erzählt – dabei sind sie ein Teil der deutschen Geschichte.“
Wir veranstalten am Freitag, den 20. Oktober um 19:30 Uhr unsere Kneipe im Rabatz.
Dabei werden wir uns mit der Broschüre “Fünfundfünzigtausendschuß* – Nazis und rechte Netzwerke in den deutschen “Sicherheitsbehörden” beschäftigen, die von einem Genossen der Kampagne “Entnazifizierung jetzt!” vorgestellt wird:
Seit dem 8. Mai 2020 hat die Kampagne „Entnazifizierung Jetzt!“ annähernd 900 Skandale von Nazis und Rassist*innen in den deutschen „Sicherheitsbehörden“ gesammelt und in der Broschüre „Fünfundfünfzigtausend Schuss“ veröffentlicht. Während rechte und konservative Brandstifterinnen diese Skandale durch das Einzelfall-Märchen verharmlosen, zeigt die Recherchearbeit auf, dass es sich um ein strukturelles Problem in historischer Kontinuität handelt.
In unserer Kneipe, die jeden zweiten Monat freitags stattfindet, wird die Recherche vorgestellt. Kommt vorbei!
Wir freuen uns, wenn ihr euch testet, bevor ihr kommt. Wir haben Tests vor Ort.
Hier findet ihr unser Plakatdesign zum Selbstausdrucken und Aufhängen.
Was bedeutet die GEAS-Reform konkret für Menschen auf der Flucht?
Dazu möchten wir zunächst die grausame Fluchtroute, die viele Menschen aus beispielsweise West- und Ostafrika auf sich nehmen müssen, skizzieren: Menschen sind gezwungen, ihr Zuhause, ihr vertrautes Umfeld zu verlassen. Die Fluchtursachen werden dabei mehrheitlich durch den globalen Norden ausgelöst. Kriege werden mit den Waffen geführt, die Deutschland zum Exportweltmeister machen. Dürren und Überflutungen sind direkte Folgen von deutschem Kohleabbau. Unser kompletter Lebensstandard fußt auf der Beraubung und Ausbeutung der Menschen im globalen Süden. Menschen fliehen hiervor mit dem Ziel, dem Leid durch Krieg, Hunger und Ausbeutung zu entkommen. Dabei schaffen manche von den flüchtenden Menschen es, tausende Kilometer unter sehr prekären Umständen hinter sich zu legen, um dann in einem der vielen Foltercamps zum Beispiel in Lybien zu landen. Daraufhin entkommen einige wenige diesen Folter- und Zwangsarbeitsstätten, um über das Mittelmeer um ihr Leben zu schwimmen. Diejenigen, die überleben, kommen in Europa an, mit tief eingeschriebenen Traumata in ihren Körpern und Köpfen. Und was passiert in Europa? Sie kommen ins Gefängnis, werden von der Polizei misshandelt, müssen unter menschenunwürdigen Bedingungen in Lagern leben – das ist kein Geheimnis, wir wissen von den Verhältnissen auf Lesbos, in Calais, Ventimiglia, Bosnien und in anderen Lagern. Diese Lager sind nicht, wie es immer propagiert wird, als kurzfristiger Aufenthalt gedacht, sie bestehen seit Jahrzehnten und halten die Menschen gezielt zurück.
Bisher war diese gezielte Einknastung und der Entzug des Menschenrechts auf Asyl in Europa illegal. Die GEAS-Reform bedeutet, dass diese Menschenrechtsbrüche jetzt legalisiert sind. Flüchtende Menschen, darunter auch Kinder, haben nun in Europa faktisch kein Recht mehr auf ein sicheres Leben. Und um die Perversität dieser Reform noch zu steigern, können schutzsuchende Menschen ohne Zugang zu einem Asylverfahren nun in Staaten, in denen sie noch nie zuvor gewesen sind, abgeschoben werden. Und selbst wer den unfassbar schwierigen Weg beispielsweise bis nach Deutschland schafft, hat es bei weitem nicht geschafft, dem zerstörenden Alltag zu entkommen. Retraumatisierende Asylverfahren, drohende Abschiebungen, rassistische Diskriminierung in vielen Situationen des täglichen Lebens und berechtigte Angst vor Gewalt von Seiten der Polizei — all das ist, das wissen wir alle, Alltag, rassistischer Normalzustand.
Mit den Neubestimmungen im europäischen Asylverfahren sind die letzten Standards gebrochen, die trotz der steten Aushöhlung des Asylrechts in den letzten Jahrzehnten noch Bestand hatten. Die Reform wird in den nächsten Jahren unglaubliche Gewalt, Tod und Entwürdigung bedeuten. Alleine dieses Jahr sind schon circa 2000 Menschen bei ihrer Flucht über das Mittelmeer ertrunken. Und damit ist nur eine Route von den vielen benannt, die tödlich endet. Alle Fluchtrouten nach Europa werden noch gefährlicher, das Leid an den Grenzen Europas noch größer.
Wie konnte es dazu kommen?
Seit Anfang der 90er wird das Asylrecht in Deutschland immer weiter verschärft. Dabei ist interessant, darauf zu blicken, in welchem gesellschaftlichen Klima es zu diesen Einschneidungen in Grundrechte kam. Denn schon lange vor der GEAS-Reform bestimmen rassistische Denkmuster die deutsche und europäische Asylpolitik. Anfang der 90er begehen Nazis zusammen mit Anwohner*innen in Rostock das größte rassistische Pogrom der deutschen Nachkriegsgeschichte. Dieses Pogrom reiht sich ein in die rassistischen Anschläge Anfang der 90er in Solingen, Hoyerswerda, Mölln oder Mannheim-Schönau. Der Staat schaut zu, hilft wie in Solingen teilweise mit und reagiert in den Parlamenten, indem er 1993 das Grundrecht auf Asyl massiv einschränkt. Die historische Kontinuität ist: rechte Kräft sind auf dem Vormarsch, die Regierung ist Teil davon. Außerdem haben wir in der Geschichte auch gesehen, dass Asylgesetze trotz verschiedener Parteien an der Macht in Deutschland stetig weiter verschärft werden.
Auch die menschenunwürdige GEAS-Reform setzen nicht die neofaschistische AfD und die rechte CDU durch, sondern die SPD, FDP und die Grünen. In den letzten Tagen haben grüne und sozialdemokratische Spitzenpolitiker*innen versucht, diese Reform durch Falschinformationen als „solidarische“ Lösung zu kennzeichnen. Dieser zynische Versuch, der eigenen rassistischen Politik einen humanitären Anstrich zu verleihen, ekelt uns an! Das Ganze zeigt uns außerdem erneut: wir können uns auf die herrschenden Parteien nicht verlassen! Jedoch sind es auch nicht einzelne Politikerinnen oder Faschist*innen, durch die es zu jenen menschenverachtenden Zuständen an den Außengrenzen kam. Wir leben in einem System, das ohne zutiefst ungerechte Macht- und Ressourcenverteilung entlang von Grenzen nicht existieren kann. Dabei ist genug für uns alle da, nur die Reichen können wir uns nicht leisten.
So sehr es nach Irrsinn ausschaut, dahinter steht ein logisches Denken basierend auf Grenzen. Ein Denken das ein -Wir- gegen -die Anderen- befeuert. Ein Denken, das besagt: Du dort, ich hier. Mit dieser Logik wirken Grenzen, Abschottung, Konkurrenz und Volksgemeinschaften auf uns natürlich. Diese Logik macht Nationen und Nationalitäten, Reisepässe und Visa, Waffenexporte und Profitmaximierung zu einer Selbstverständlichkeit. Es soll selbstverständlich sein, dass ein Strich auf der Landkarte darüber entscheidet, ob Menschen, die um ihr Leben schwimmen, sterben gelassen werden oder nicht. Daher gilt es für uns endlich zu begreifen, wie zufällig es ist, wo wir geboren sind, und wie zutiefst ungerecht es ist, dass manche Menschen alles besitzen und andere nichts. Grenzen und Nationen sind zerstörerisch, sie zementieren Ungerechtigkeit und Rassismus. Wir haben also gesehen, dass es wenig Unterschied macht, was wir wählen: Das System, in dem wir leben, kann nicht ohne Menschenrechtsbrüche bestehen — egal mit welcher Regierung.
Was können wir dagegen tun?
Wir können uns gemeinsam solidarisch organisieren! Die Machtlosigkeit, die viele von uns dem Ganzen gegenüber fühlen, ist politisch gewollt. Wenn es möglich ist, ausbeuterische Kapitalinteressen als unantastbar, als naturgegeben zu präsentieren, dann bietet diese Unantastbarkeit eine sehr gute Grundlage dafür, Widerstand unsichtbar zu machen. Aber wir sind hier, es gibt Widerstand. Und dieser Widerstand kann nicht hier auf einer Demo stehenbleiben. Es geht um tausende Menschenleben, es geht darum, in welcher Welt wir leben wollen. Unsere Antwort auf den rassistischen Normalzustand muss lauten: solidarische Strukturen aufbauen, die ungerechte Verteilung des Reichtums angreifen und die Festung Europa einreißen. Also organisiert euch, ob in der interventionistischen Linken, bei der Seebrücke oder in anderen Gruppen. Lasst uns gemeinsame die falsche Logik dieses Systems entblößen und so der Unantastbarkeit des Systems Kratzer verleihen.
Trotz alledem gibt es uns Hoffnung, dass wir in den letzten Wochen europaweit mit vielen Menschen und Gruppen gemeinsam auf der Straße sind und bleiben. Wir hoffen deshalb, dass wir heute nicht das letzte Mal mit euch gegen diese Politik auf der Straße sind. Lasst uns uns weiterhin und so lange wie nötig gemeinsam gegen die rassistische Asylpolitik der EU stellen! Lasst uns dabei nicht vergessen: Diese Zustände sind von Menschen konstruiert! Und das bedeutet, sie können auch von Menschen verändert werden! In diesem Sinne: Solidarität mit allen Menschen, die sich auf der Flucht befinden!
We are here and we will fight – freedom of movement is everybody’s right!
In Gedenken an Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz, Gökhan Gültekin. Wir wollen uns in der Kneipe am 17. Februar mit dem rassistischen Anschlag in Hanau 2020 auseinandersetzen. Gemeinsam schauen wir uns ein Video an, in dem sich die Initiative 19. Februar mit dem Ablauf vor, während und nach der Tat auseinandersetzt. Wir ergänzen dies mit den neuen Erkenntnissen aus der Aufarbeitung. Außerdem möchten wir Raum geben, um über das Gehörte, unsere Gedanken und Gefühlen dazu ins Gespräch zu kommen. Wer möchte, kann im zweiten Teil des Abends sich für die Demo am Sonntag, den 19. Februar, vorbereiten und Plakate und Banner mit uns anfertigen. Bringt gerne Material mit!
Das Bündnis “Abschiebezentrum BER verhindern” und die Gruppe akut [+c], eine Heidelberger Ortsgruppe der Interventionistischen Linken, haben in der vergangenen Woche eine Online-Aktionswoche gegen “Harder und Partner” gestartet – der Heidelberger Abschiebeinvestor soll das geplante Abschiebezentrum am Flughafen BER bauen. Verschiedene regionale und überregionale Gruppen und Initiativen haben sich mit dieser Aktion solidarisiert, darunter die Seebrücke.
Das Brandenburger Innenministerium plant den Bau eines neuen Abschiebezentrums in Schönefeld, einschließlich eines Transit- und Gewahrsamsgebäudes mit 120 Haftplätzen. Der Bau soll noch in diesem Jahr beginnen. Das in Frage kommende Grundstück am Flughafen BER gehört der Immobiliengesellschaft “Harder und Partner”, die Teil des Firmenimperiums von Jürgen B. Harder ist. Die Hockenheimer Firma soll die Hafteinrichtung bauen und nach Fertigstellung an das Brandenburger Innenministerium vermieten. Auf diese Weise wird vermieden, das Parlament um die Bereitstellung von Haushaltsmitteln zu bitten.
Jürgen B. Harder ist schon in der Vergangenheit durch einen Korruptionsskandal bekannt geworden. Nun erweitert er sein Geschäftsprofil und möchte aus Abschiebungen Profit schlagen. Alexis Martel, Pressesprecher*in des Bündnisses, sagt hierzu: “Der Ukraine Krieg und die in Deutschland ankommenden Geflüchteten verdeutlichen gegenwärtig, wie wichtig eine Kultur des Willkommens und Bleibens ist. Dass dennoch am Flughafen Schönefeld ein neues Abschiebezentrum entstehen soll, ist nicht haltbar. Abschiebungen kreieren ein Klima der Angst, reißen Familien auseinander und gehen mit menschenunwürdiger Behandlung einher. Wir brauchen keine Forcierung der menschenfeindlichen Abschiebepolitik, wir brauchen ein Bleiberecht für alle!”
Das Bündnis “Abschiebezentrum BER verhindern” hat heute ein Action Kit veröffentlicht, um online gegen den Abschiebeinvestor zu mobilisieren. Mit E-Mails und Social Media Posts soll die Kundschaft von “Harder und Partner” auf den geplanten Bau des Abschiebezentrums hingewiesen werden. Zu der Kundschaft gehört unter anderem Lufthansa Bombardier Aviation Services, DHL, Pfizer und Simon Hegele. Harder besitzt Lagerhallen in ganz Deutschland. Laut Martel hat die Firma eine Entscheidung zu treffen: “Wir fordern “Harder & Partner” auf, ihre Beteiligung am Bau des Abschiebezentrums zu stoppen. Sonst werden zukünftige Kund*innen die Firma mit Abschiebung und Rassismus in Verbindung bringen”. Heute Morgen besuchten Aktivist*innen schon das Büro von Harders Firma in Hockenheim, auch dort soll bekannt gemacht werden, was die Firma plant. Das Action Kit richtet sich auch an Politiker*innen in Brandenburg und Schönefeld, die aufgefordert werden, ihre Position zu überdenken.
Laut Antwort der Brandenburger Landesregierung auf Kleine Anfragen der Abgeordneten Andrea Johlige soll das neue Abschiebezentrum mehrere Funktionen erfüllen: Zum einen soll ein Bereich für Ausreisegewahrsam entstehen, in dem Menschen für maximal zehn Tage vor ihrer Abschiebung inhaftiert werden können (§ 62b AufenthG) – schon jetzt gibt es eine Einrichtung für Ausreisegewahrsam mit 20 Plätzen in Schönefeld. Außerdem wird es ein Transitgebäude geben, in dem mindestens zwei weitere Formen der Inhaftierung stattfinden werden: Erstens werden Menschen, die bei ihrer Ankunft am Flughafen BER einen Asylantrag stellen, in einem unfairen Asyl-Schnellverfahren ohne Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung oder Unterstützung festgehalten (§ 18a Abs. 1 AsylG). Durch dieses Flughafen-Asylverfahren können ganze Familien – inklusive Kinder – wochenlang legal inhaftiert werden. Zweitens können Menschen bei der Anreise mit dem Flugzeug im Transitgebäude inhaftiert werden, wenn sie an der Grenze zurückgewiesen wurden. Sie gelten dann während ihrer maximal 12 Monate langen Haftzeit, bis zu ihrer Abschiebung, als nicht in Deutschland eingereist (§ 15 Abs. 6 AufenthG). Zuletzt sollen im Abschiebezentrum, speziell im Rückführungsgebäude, Hunderte Abschiebungen im Jahr durch die Bundespolizei durchgeführt werden – sowohl in EU-Länder (sogenannte Dublin-Überstellungen) als auch in Nicht-EU-Länder.
Pressesprecher*in Alexis Martel appelliert an die Öffentlichkeit, sich an der Kampagne zu beteiligen: “Die Verträge sind noch nicht unterschrieben. Jetzt liegt es an euch allen, aktiv zu werden. Schönefeld darf nicht zu einem internationalen Abschiebedrehkreuz werden. Lasst uns gemeinsam verhindern, dass die rassistische und neokoloniale Praxis der Abschiebepolitik einen neuen Schauplatz bekommt.”
Liebe Genossinnen und Genossen, Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, Hallo Heidelberg!
Wir stehen heute hier, um gegen die rassistische Asyl und Migrationspolitik der EU zu demonstrieren, gegen das vermeidbare Sterben im Mittelmeer, gegen illegale Pushbacks an Europas Grenzen. Zum wiederholten Male tun wir das. Seit dem Sommer der Migration 2015 zeigten sich die Widersprüche überdeutlich zwischen den angeblichen „europäischen Werten“ und der rassistischen Abschiebepolitik, dem mörderischen Treiben von Frontex im Mittelmeer und an den Außengrenzen, den Übergriffen auf Migrant*innen, die in Europa Schutz suchen.
Doch auch schon lange vor 2015 bestimmten rassistische Denkmuster die deutsche und europäische Asyl- und Migrationspolitik.
Während in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg in der BRD Arbeitskräfte fehlten, wurden ca. 14 Mio. sogenannte „GastarbeiterInnen” nach Deutschland angeworben. Schon der Begriff „Gastarbeiter“ verdeutlicht das instrumentelle Verhältnis der sog. „Deutschen“ gegen über den „Gästen“, die nur für die Vermehrung des Reichtums nach Deutschland kommen sollten, um anschließend hoffentlich möglichst geräuschlos wieder in ihre Heimatländer zu verschwinden. Der bierdeutsche Rassismus gegenüber Minderheiten musste sich zu dieser Zeit weder am Stammtisch noch am Gartenzaun hinter neurechtem Intellektualismus verstecken.
Max Frisch sagte damals: „Man hat Arbeitskräfte gerufen, aber es kamen Menschen.“
Unter ihnen auch Aktivist:innen, die unter dem heutzutage umgekehrten Begriff der „Integration“ schon früh Teilhaberechte und Chancengleichheit einforderten. Erst in den 1970er Jahren werden in der deutschen Migrationspolitik sogenannte Integrationsbeauftragte eingesetzt, die wohl aber eher die Assimilation – Gleichmacherei – die totale Anpassung der Minderheit in eine vermeintliche „Mehrheitsgesellschaft“ zum Ziel hatten.
Doch mit einer tatsächlichen Anpassung an den herrschenden Lebensstandards, der Anpassung an die Rechte und Möglichkeiten, einer politisch gewollten Schaffung von Teilhabechancen war es nun doch nicht so weit her: Rassifizierte Menschen – also Menschen, denen Rassismus widerfährt – werden damals wie heute in der deutschen Gesellschaft zusätzlich auch klassistisch diskriminiert: Sie sind eher betroffen von Armut, werden in Bildungsinstitutionen wie Schule und Universität schlechter bewertet, bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche benachteiligt oder von staatlichen Institutionen oder Mitmenschen diffamiert, z.B. indem Sie schneller als unwillig oder faul beschimpft werden.
So ist es heute wie damals für viele Bürger:innen wohl einfacher ihre Wut über die ausbeuterischen Verhältnisse durch Rassismus zu kanalisieren, als die ungerechten Verhältnisse als solche in Frage zu stellen.
Der zum Teil offen zur Schau, zum Teil subtil mitgetragene Rassismus gipfelte in tatsächlichen Vernichtungsversuchen wie den Pogromen von Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Mölln, Mannheim-Schönau Anfang der 90er Jahre. Der deutsche Mob tobt – die Polizei steht daneben – die Politik handelte: Sie schafft 1993 das Grundrecht auf Asyl faktisch ab.
Trotz verschiedener Parteien an der Macht wurden die Asylgesetze in Deutschland stetig weiter verschärft. So waren es beispielsweise die Grünen unter Kretschmann, die die Einstufung der Länder Mazedonien, Serbien, Bosnien & Herzegowina und Albanien, Montenegro und Kosovo als „sichere Herkunftsländer“ möglich machten. Und das obwohl dort immer noch Menschen, vor allem Sinti*zze und Roma*nja verfolgt werden.
Eine Gesellschaft, die die menschliche Würde tatsächlich als unantastbar bewertet, kann so eine Asyl- und Migrationspolitik, so einen Umgang mit anderen Menschen nicht rechtfertigen.
Die Ungleichheit zeigt sich auch an der unterschiedlichen Behandlung von geflüchteten Menschen: Wo Menschen aus Osteuropa vor kurzer Zeit noch als „Fremde“ oder „slawisch“ markiert wurden, werden nun die Gemeinsamkeit besonders betont. Doch das Konstrukt wer als „weiß“ und „gut-integrierbar“ betrachtet und wer als fremd und für die Gesellschaft „unverwertbar“ gebrandmarkt wird, ist und bleibt zerbrechlich. Es wird immer wieder verändert und den Machtverhältnissen entsprechend angepasst. So rechtfertigt beispielsweise die bayrische Integrationsbeauftragte Brendel-Fischer die ungleichen Zugänge zu Bildungsinstitutionen für Geflüchtete mit der Aussage, dass „ukrainischen Geflüchteten nicht erklärt werden müsse, wie eine Waschmaschine funktioniert, oder dass auf dem Fußboden nicht gekocht werden darf.“
Diese menschenverachtende Aussage zeigt: Rassismus ist der Kitt der bürgerlichen Klassengesellschaft. Ihre Machtverhältnisse, also die ungleiche Verteilung ihrer Güter, Chancen und Ressourcen machen Diffamierung, Schlechterstellung und Diskriminierungen im Kampf um Teilhabe möglich. Dabei ist genug für alle da, nur die Reichen können wir uns nicht leisten.
Deshalb fordern wir:
Konsequentes Eintreten für grenzenlose Solidarität und gegen Rassismus.
Konkrete Hilfe auf den Fluchtrouten, an den Grenzen und vor allem auch vor Ort!
Echte Umverteilung der gesellschaftlichen Ressourcen und eine die Abschaffung des kapitalistischen Systems, das Menschen unter Verwertungslogiken stellt.
Echte Beteiligungsmöglichkeiten und der Ausbau politischer Teilhaberechte ungeachtet von Pässen und Herkunft!
Grenzenlose Bewegungsfreiheit für alle Menschen, ungeachtet ihrer Herkunft und ihrem Pass.
Den Aufbau einer freien Gesellschaft in der „jede und jeder ohne Angst und Nachteile verschieden sein kann!
Pressemitteilung: Adbusting- und Plakat-Aktion: Verfassungsschutz abschaffen
Interventionistische Linke (IL), Datum 04.11.2021
Adbusting- und Plakat-Aktion: Verfassungsschutz abschaffen
Aktivist*innen der Interventionistischen Linken (IL) haben zum heutigen Tag eine bundesweite Adbusting- und Plakat-Aktion durchgeführt. Dabei wurden in 20 Städten, darunter Hamburg, Berlin, Hannover, Leipzig, Nürnberg, Heidelberg und Stuttgart, mehrere hundert Werbekästen mit eigenen Postern versehen. Vier unterschiedliche Motive im Design des Inlandsgeheimdienstes machen auf das Versagen, Vertuschen und Fördern der Neonazi-Szene durch den Verfassungsschutz aufmerksam, u.A. mit den Überschriften „Wir finanzieren unsere Naziszene“ und „Wir vernichten Beweise“ (Die vier Plakatmotive finden sich auf https://10jahredanach.noblogs.org/, Bilder aus Heidelberg, siehe hier: https://www.instagram.com/p/CV2J0q9s9AL/?utm_medium=copy_link). Anlass ist der 10. Jahrestag der Selbstenttarnung der Terror-Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) am 4. November 2011. Die IL fordert mit ihrer Aktion die Abschaffung des Verfassungsschutzes und eine lückenlose Aufklärung des NSU-Komplexes.
Zehn Menschen könnten noch leben, wenn die Geheimdienste den NSU nicht gedeckt hätten
Das Kerntrio des NSU konnte bei ihrer Mordserie, ihren Sprengstoffanschlägen und Raubüberfällen nicht nur auf ein großes Unterstützer* innen-Netzwerk zählen , sondern auch auf ein Weggucken und Vertuschen der verschiedensten Geheimdienste in den Ländern und dem Bund. Unmittelbar nach der Selbstenttarnung war das Entsetzen über das staatliche Versagen, Akten-Schreddern, das V-Leute-System und die vollkommen unkontrollierten Behörden groß. Bis weit ins bürgerliche Lager hinein wurden strikte Reformen und sogar die Abschaffung der Geheimdienste gefordert. Wir sagen, das Festhalten an dieser Forderung ist mit dem Wissen der letzten 10 Jahre zwingend erforderlich. Denn das Ausmaß der geheimdienstlichen Verstrickungen in den NSU-Komplex ist viel größer, als es Ende 2011 auch nur zu erahnen war: Über 40 V-Personen des Verfassungs- und Staatsschutzes waren im Umfeld des NSU platziert. Üppig alimentiert mit staatlichen Gehältern, welche zur Finanzierung der Nazi-Szene weiter gereicht wurden. Die Geheimdienste waren zeitweise bestens über das Kern-Trio im Untergrund informiert, gaben Informationen nicht an die Polizei weiter und verhinderten damit aktiv mögliche Zugriffe. Quellenschutz für die eigenen Spitzel zählte mehr, als die Verhinderung von weiteren Morden. Diese Taktik setzte der Inlandsgeheimdienst auch nach der Selbstenttarnung des NSU fort. In parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und vor Gericht in München wurden Aussagen verweigert, Akten vorenthalten oder geschreddert, Namen und Tätigkeiten von V-Leuten und deren Führungspersonen verheimlicht. Christoph Kleine von der IL: „Zehn Menschen könnten noch leben, wenn die Geheimdienste den NSU nicht gedeckt hätten.“
Ausbau statt Auflösung
Der abgesetzte Chef des BfV und Leiter*innen der Landesämter waren reine Bauernopfer. Der Geheimdienst ging gestärkt aus dem NSU-Desaster hervor. Der Anti-Aufklärer Hans-Georg Maaßen hegte im Amt zuletzt deutliche Sympathien für Rechtsradikale und macht sich heute für eine Koalition mit der AfD stark. Die Finanzbudgets des Bundes- und der Landesämter wurden erhöht, die Zusammenarbeit zwischen diesen und mit anderen Behörden gestärkt, die technische Überwachung ausgebaut, rechtliche Bedenken zurückgewiesen. An dem V-Leute-System wurde nichts geändert, bis heute genießen diese Neonazis unbegrenzten Schutz und üppige finanzielle Unterstützung aus Steuergeldern. Eine Kontrolle der Geheimdienste durch die Parlamente ist bis heute nicht möglich.
Christoph Kleine von der Interventionistischen Linken: „Das System der Inlandsgeheimdienste hat die Mordtaten des NSU und weitere über 200 Tote durch rechten Terror und Gewalt seit 1990 nicht verhindert. Im Gegenteil, es hat aktive Aufklärung verhindert. Im Kampf gegen die extreme Rechte leisten stattdessen Antifa- und Recherchegruppen die Arbeit. Wir fordern die Abschaffung des Verfassungsschutzes und die restlose und schonungslose Aufklärung des NSU-Komplexes durch zivilgesellschaftliche Akteur*innen. Dies schulden wir auch den Opfern des Terrors und deren Angehörigen, die sich nach 10 Jahren immer noch fragen: Was wussten die Geheimdienste und ihre V-Leute, warum finanziert der Staat Neonazis und schützt sie vor Ermittlungen?“
Für die 4. Episode unseres AKUT+C Podcasts haben wir eine Aktivistin interviewt die 2020 für mehr als ein halbes Jahr in Calais war. Ähnlich wie die aktuell besonders bekannten Beispiele der Lager Moria auf Lesbos oder Lipa in Bosnien, war Calais über die letzte 20-30 Jahre ein erschreckendes Beispiel des Versagens europäischer Geflüchtetenpolitik. Wir wollen den Podcast dazu nutzen, über die Situation der Refugees in Calais, an der Grenze zwischen Frankreich und England, zu sprechen.
Weiterführende Infos und Links:
Telegram Calais info channel: t.me/calaisinfo
News and information site for migrants: InfoMigrants
Wir begrüßen das Protestcamp am Rathaus in Heidelberg, dass sich seit einigen Tagen dort aufhält. Schaut gerne vorbei auf dem Camp, unterstützt mit eurer Anwesenheit, Bannern oder Zelten den Protest. Nehmt euch auch eine Kanne Tee und natürlich eure Maske mit.
No Borders No Nation
Seit Jahren ertrinken tausende Menschen im Mittelmeer und wir wissen, der Tod dieser Menschen ist in Europa politisch gewollt. Wer lässt diese Menschen sterben?
Wir wissen von den Pushback-Aktionen. Pushback heißt, dass die Boote von der Küstenwache nicht an Land gelassen werden. Stattdessen werden die Boote in gefährliche Gewässer gebracht, dementsprechend zurück gepusht. Das bedeutet eine aktive Gefährdung von Schutzsuchenden herbeizuführen. Wir wissen auch das “christliche” Politiker wie Seehofer sich nicht schämen, solche illegalen Aktionen zu decken – wieso? Es sind nicht nur ‘die Politiker’ oder Faschisten, die diese Menschen sterben lassen. Es ist ein politischer Unwille in der Gesellschaft, diese Grenzen zu durchbrechen. Es ist nicht so, dass die Nachricht des Leides durch die Medien zensiert wird, Menschen nicht darüber sprechen oder Tatsachen geschönt werden. Hier halten wir Banner hoch mit der Forderung, die Menschen aus den Lagern zu holen und das Massensterben im Mittelmeer zu stoppen und als Antwort kommt zurück: Nee, machen wird nicht. Wie ist das möglich? Wie können Menschen das Sterben und die Zustände in den Lagern zulassen, gar akzeptieren? So sehr es nach Irrsinn ausschaut, dahinter steht ein logisches Denken basierend auf Grenzen. Ein Denken das ein -Wir- gegen -die Anderen- befeuert. Ein Denken, dass besagt: Du dort, ich hier…. Es erscheint unverändbar. Denn die Logik dahinter, lässt das Sterben als Notwendigkeit erscheinen. Mit dieser Logik wirken Grenzen, Abschottung, Konkurrenz und Volksgemeinschaften auf uns, als natürlich. Diese Logik macht Nationen und Nationalitäten, Reisepässe und Visa, Waffenexporte und Profitmaximierung zu einer Selbstverständlichkeit.